Donebach/Santiago de Chile. „Ich kann den Menschen meiner Umgebung
einfach nicht klar machen, dass wir hier ganz sicher nicht NORMAL leben,
sondern so so reich sind“, versucht Karina Brenneis, die ein soziales
Jahr in Santiago de Chile absolviert hat, deutlich zu machen, in welch
hoffnungsloser Armut die Menschen in den Armutsvierteln dieser
Millionenstadt leben müssen. „Und dennoch ist mir in dieser ganzen
Zeit dort nicht ein einziger unfreundlicher Mensch begegnet“.
Drogensucht, Diebstahl, Alkohol und familiäre Gewalt seien an der
Tagesordnung, aber diese schreckliche deutsche Unzufriedenheit und
Unfreundlichkeit kenne man nicht. „Ich habe mit drei anderen
Freiwilligen in einer Wohnung zusammen gelebt und wir sind des öfteren
ausgeraubt worden. Aber den Dieben wäre es niemals eingefallen, uns
etwas anzutun. Sie brauchten nur unsere Wertgegenstände, um sich dafür
Drogen kaufen zu können.“ Drogen, Alkohol und soziale Armut seien die
Hauptprobleme in Renca. Karina Brenneis hat im Juni 2008 ihr Abitur am
GTO bestanden und wollte dann vor dem Studium erst mal noch eine andere
Seite der Welt kennen lernen. Den doppelten Kulturschock, den sie dabei
bewältigen musste, hatte sie sicher nicht einkalkuliert. Zunächst
erkundigte sie sich über die damals 23 Organisationen und deren
Programme in den verschiedenen Ländern und kam schließlich über das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
– kurz BMZ – an die Organisation Amntena e.V. und das 2007 gegründete
Programm „weltwaerts“, welches ihren Sozialen Dienst zu 75 Prozent
finanzierte. Aber Reichtümer waren dabei sicher nicht zu verdienen.
Frei war die Vorbereitungszeit, die Wohnung, der Flug - für Essen und
eigene Wünsche musste sie mit einem Taschengeld von monatlich 160 Euro
auskommen. Die Ziele von „weltwaerts“ sind es, das Engagement für
eine andere Welt nachhaltig zu fördern ebenso wie den interkulturellen
Austausch. Demnach sollen Jugendliche lernen, globale Abhängigkeiten
und Wechselwirkungen besser zu verstehen, man will Jugendliche im
entwicklungspolitischen Berufsfeld, in Toleranz, Verständigung, Achtung
und gegen Rassismus fördern und den Projektländern Hilfe zu
Selbsthilfe bieten. Nachdem der ganze Papierkram erledigt war, ging es
zunächst für drei Wochen zum Sprachkurs nach Barcelona, der aber
offensichtlich so schlecht war, dass man ihn sich auch hätte schenken können.
Und dann war da noch das beginnende Heimweh. Direkt im Anschluß folgte
ein vierwöchiger Intensiv-Sprachkurs in Santiago de Chile und dann hieß
es „learning by doing“. Die Donebacherin war eingeteilt für den
Kindergarten der Fundacion Cristo Vive in der población Renca, dem
Armenviertel von Santiago de Chile. Hier gab es fünf Gruppen mit
jeweils ca. 30 Kindern, die jeweils von zwei Erzieherinnen, zwei
Halbtagskräften und einer „Freiwilligen“ betreut wurden. Und die
strengen Vorgaben der Regierung bzgl. des Stundenplans mussten dabei auf
jeden Fall eingehalten werden. Nicht immer einfach, wenn die Kinder
gerade mal anfangen, sich zu entfalten, und man muss sie dann weg holen,
weil irgendwelche fernen Beamten das bestimmt haben. Auf die Frage
„Was hat ihnen am meisten gefallen oder Spaß gemacht?“ meint Karina
nachdenklich „Einem Kind ein Lächeln entlocken.“ Das habe gezeigt,
es hat für ganz kurze Zeit vergessen konnte, wie oft und brutal daheim
die Mama geschlagen wird. Wundert es da, wenn das Nachhausekommen nach
einem Jahr eher den zweiten Kulturschock und viele Tränen auslöst als
Freude darüber, die Heimat wieder zu sehen. „Jetzt bin ich so weit
von den Kindern weg, dass ich wirklich gar nichts mehr für sie tun
kann.“ Wenn im Oktober ihr Studium in Politischer Ökonomie in
Heidelberg beginnt, ist das Ziel schon jetzt vorprogrammiert für
„Entwicklungshilfe“.
Der
Text wurde uns von Frau Liane Merkle zur Verfügung gestellt.
|