September 2009
Karina Brenneis kehrt nach einem Jahr Freiwilligendienst in Santiago de Chile nach Donebach zurück.


Donebach/Santiago de Chile. „Ich kann den Menschen meiner Umgebung einfach nicht klar machen, dass wir hier ganz sicher nicht NORMAL leben, sondern so so reich sind“, versucht Karina Brenneis, die ein soziales Jahr in Santiago de Chile absolviert hat, deutlich zu machen, in welch hoffnungsloser Armut die Menschen in den Armutsvierteln dieser Millionenstadt leben müssen. „Und dennoch ist mir in dieser ganzen Zeit dort nicht ein einziger unfreundlicher Mensch begegnet“. Drogensucht, Diebstahl, Alkohol und familiäre Gewalt seien an der Tagesordnung, aber diese schreckliche deutsche Unzufriedenheit und Unfreundlichkeit kenne man nicht. „Ich habe mit drei anderen Freiwilligen in einer Wohnung zusammen gelebt und wir sind des öfteren ausgeraubt worden. Aber den Dieben wäre es niemals eingefallen, uns etwas anzutun. Sie brauchten nur unsere Wertgegenstände, um sich dafür Drogen kaufen zu können.“ Drogen, Alkohol und soziale Armut seien die Hauptprobleme in Renca. Karina Brenneis hat im Juni 2008 ihr Abitur am GTO bestanden und wollte dann vor dem Studium erst mal noch eine andere Seite der Welt kennen lernen. Den doppelten Kulturschock, den sie dabei bewältigen musste, hatte sie sicher nicht einkalkuliert. Zunächst erkundigte sie sich über die damals 23 Organisationen und deren Programme in den verschiedenen Ländern und kam schließlich über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – kurz BMZ – an die Organisation Amntena e.V. und das 2007 gegründete Programm „weltwaerts“, welches ihren Sozialen Dienst zu 75 Prozent finanzierte. Aber Reichtümer waren dabei sicher nicht zu verdienen. Frei war die Vorbereitungszeit, die Wohnung, der Flug - für Essen und eigene Wünsche musste sie mit einem Taschengeld von monatlich 160 Euro auskommen. Die Ziele von „weltwaerts“ sind es, das Engagement für eine andere Welt nachhaltig zu fördern ebenso wie den interkulturellen Austausch. Demnach sollen Jugendliche lernen, globale Abhängigkeiten und Wechselwirkungen besser zu verstehen, man will Jugendliche im entwicklungspolitischen Berufsfeld, in Toleranz, Verständigung, Achtung und gegen Rassismus fördern und den Projektländern Hilfe zu Selbsthilfe bieten. Nachdem der ganze Papierkram erledigt war, ging es zunächst für drei Wochen zum Sprachkurs nach Barcelona, der aber offensichtlich so schlecht war, dass man ihn sich auch hätte schenken können. Und dann war da noch das beginnende Heimweh. Direkt im Anschluß folgte ein vierwöchiger Intensiv-Sprachkurs in Santiago de Chile und dann hieß es „learning by doing“. Die Donebacherin war eingeteilt für den Kindergarten der Fundacion Cristo Vive in der población Renca, dem Armenviertel von Santiago de Chile. Hier gab es fünf Gruppen mit jeweils ca. 30 Kindern, die jeweils von zwei Erzieherinnen, zwei Halbtagskräften und einer „Freiwilligen“ betreut wurden. Und die strengen Vorgaben der Regierung bzgl. des Stundenplans mussten dabei auf jeden Fall eingehalten werden. Nicht immer einfach, wenn die Kinder gerade mal anfangen, sich zu entfalten, und man muss sie dann weg holen, weil irgendwelche fernen Beamten das bestimmt haben. Auf die Frage „Was hat ihnen am meisten gefallen oder Spaß gemacht?“ meint Karina nachdenklich „Einem Kind ein Lächeln entlocken.“ Das habe gezeigt, es hat für ganz kurze Zeit vergessen konnte, wie oft und brutal daheim die Mama geschlagen wird. Wundert es da, wenn das Nachhausekommen nach einem Jahr eher den zweiten Kulturschock und viele Tränen auslöst als Freude darüber, die Heimat wieder zu sehen. „Jetzt bin ich so weit von den Kindern weg, dass ich wirklich gar nichts mehr für sie tun kann.“ Wenn im Oktober ihr Studium in Politischer Ökonomie in Heidelberg beginnt, ist das Ziel schon jetzt vorprogrammiert für „Entwicklungshilfe“.

Der Text wurde uns von Frau Liane Merkle zur Verfügung gestellt.